Zum Tod von Ágnes Heller

Ágnes Heller – Quelle: DIE ZEIT, 12.06.2019

Heute, am 20. Juli 2019, erhielten wir die Nachricht, dass Ágnes Heller in ihrem Urlaub am Balaton unerwartet gestorben ist.

Ihr Tod geht uns sehr nahe.

Wir haben den frischen Trost, sie noch vor wenigen Monaten sehr lebendig vital und aktiv bei unserem Europ-Ungarn-Symposium in Herrnhut erlebt zu haben, beschenkt mit der von ihr ausgedrückten Hoffnung, es möge nicht ihr letzter Besuch bei uns und in der Oberlausitz gewesen sein. Seit heute wissen wir, dass es doch der letzte war.

Ágnes Heller, deren lebendigem Wirken wir aus Anlass ihres 90. Geburtstages noch vor wenigen Wochen unsere letzte Akademiemitteilung widmeten, hat einen tiefen Eindruck hinterlassen als eine Frau, die hochgradig aufgeschlossen und reflektiert, mit analytischer Schärfe, Witz und großer Warmherzigkeit – man kann wohl sagen: weise – ihre Erfahrungen vor dem Hintergrund eines immensen Wissens teilte.

Auch im Tod – sie kehrte vom Schwimmen hinaus auf den Plattensee nicht zurück – ist sie die geblieben, die wir kennenlernen durften: beweglich, eigenwillig, unerschrocken, frei.

Vor uns liegt nun die gewichtige Aufgabe, den im Nachgang unserer Frühjahrstagung in Herrnhut entstehenden Tagungsband, der nun in der Reihe “Geistige Lieferung” als Teil ihres Vermächtnisses erscheint, gemeinsam mit Rudolf Ungváry zügig in eine angemessene Form zu bringen und Ágnes Heller hier noch einmal zu Wort kommen zu lassen. Als Philosophin hat sie auch in Herrnhut Wesentliches geäußert – zu Ungarn, zu Europa, zur Welt.

Dass wir ihr diese Würdigung noch zuteilwerden lassen können, wurde ermöglicht, indem sie uns gewürdigt hat: durch ihre Zusage und durch vier Tage herzlicher Begegnung, die wir mit ihr erleben durften – vier Tage Herrnhut, eingeschoben zwischen Terminen in Brüssel und New York.

Der Nachhall dieser Begegnung ist groß, was wohl jedem so ergeht, der Ágnes Heller begegnete. Wir sind nicht berufen, ein Urteil über ihre Nachwirkung als Denkerin abzugeben, dies müssen und werden andere tun. Uns ist sie freundschaftliche Begleiterin geworden, mit ihren Gedanken, aber auch ihrer ganzen Lebensart: lebensfroh, streitbar und leuchtend, ohne Anzeichen von Ermüdung. Nun ist sie mitten in einem aktiven Leben „im Fluge“ abberufen worden.

Wir trauern – als Beschenkte.


Anmerkung: Eines ihrer letzten Interwiev gab sie erst kürzlich der ZEIT, aus Anlass des ebenfalls 90. Geburtstages von Jürgen Habermas, dem sie in freundlichem Widerspruch und Respekt verbunden war.
Link zum Artikel (nur für Digital-Abonnenten lesbar)